Genau das haben Susanne Trapp und Douglas Antonio getan und die wunderbaren Formen und Farben unserer samenfesten Gemüsearten mit ihren Bildern ans Tageslicht geholt. Plötzlich sind sie in ihrer unglaublichen Formvollendung sichtbar, die besonderen Gesetzmäßigkeiten und Kräfte, die in den Pflanzen wirksam sind.
Bei uns auf dem Hof beschäftigt sich unser Gärtner Arne von Schulz seit vielen Jahren mit der Züchtung und Vermehrung samenfester Gemüsesorten. Diese haben die Eigenschaft, sich immer wieder erbstabil vermehren zu können. Gleichzeitig entsteht durch die regionale Züchtung im natürlichen Anbau eine große Vielfalt an Sorten mit einer höheren Fähigkeit, sich an die örtlichen Klima- und Bodenbedingungen anzupassen. Neben dieser so wichtigen Resilienz entwickeln die Pflanzen sehr oft einen guten Geschmack und eine besondere Bekömmlichkeit.
In der bio-dynamischen Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung ist es selbstverständlich, dass der Mensch für die Naturreiche Mit-Verantwortung trägt. Zu den zentralen Motiven zählt daher eine liebevoll-behutsam-pflegende Hinwendung, statt eigennützigem Ausnutzen und Manipulieren. Die respektvolle Haltung der Züchtenden gegenüber dem Pflanzenwesen beeinflusst den Züchtungsvorgang und hat Auswirkungen auf die Qualität.
Es ist uns in allen Bereichen des Hofes ein großes Anliegen Lebensmittel zu erzeugen, die durch ihre innere und äußere Qualität die Menschen wirklich nähren. Sorten, die sich über die Jahre an unseren Standort angepasst haben, wie die Möhre Rodelika, die Tomate Serdze, der Wirsing Smaragd, der Spinat Lawewa, die Porree-Sorte Ifra oder der hofeigene Emmer, haben andere „innere Werte“ als Lebensmittel, die am anderen Ende der Welt, in für uns fremden klimatischen Verhältnissen, gezüchtet und angebaut wurden.
Es gibt immer zwei Beweggründe, Nahrung zu sich zu nehmen. Die erste dient vor allem dazu, sich körperlich satt zu fühlen. Bei der zweiten Möglichkeit nehmen wir uns die innere Ruhe und essen nicht nur eine Möhre, sondern erleben auch ihre innere Harmonie, Widerstandskraft und Zukunftsfähigkeit. Vielleicht können wir dann spüren, was uns wirklich nährt, uns resilient und innerlich kraftvoll macht. In dem Moment schmecken wir intensiver, erkennen die besondere Schönheit der Pflanzen, erleben die achtsame Hinwendung des Menschen, der die Lebensmittel angebaut, gepflegt, geerntet oder verarbeitet hat und fühlen eine besondere Dankbarkeit für die großen Zusammenhänge, in denen wir stehen und die weit über das Sichtbare hinaus gehen. Wir sind auch seelisch-geistig genährt.
Was passiert, wenn wir das rechte Maß und den Bezug zu dem verlieren, was unsere Lebenskräfte stärkt, erzählt die wunderbare Geschichte von der „kleinen Raupe Nimmersatt“. Sie fraß sich durch so Vieles und war doch nie satt. Obst, Käse, Wurst, Schokoladenkuchen, saure Gurken – das konnte nicht gut gehen und führte unweigerlich zu Bauchschmerzen. Dann besann sie sich und fraß sich durch ein grünes Blatt. Damit ging es ihr viel besser, sie war jetzt richtig satt und kräftig geworden.
Doch damit ist die Geschichte nicht zu Ende, denn es passiert etwas ganz Wesentliches. Die dicke, unförmige Raupe schafft sich selber einen von der äußeren Welt abgeschlossenen Rückzugsraum, in dem ein großer Transformationsprozess geschieht. Die Geburt des schönen Schmetterlings gleicht einem Wunder und berührt bis heute die Menschen. Sie zeigt uns, dass Veränderung und Entwicklung möglich sind. Was es dafür braucht ist Erkenntnis, Zeit, Ruhe, innere Einkehr und Vertrauen in das Unbekannte.
Wir alle leben ganz offensichtlich in einer Zeit des Wandels. Vieles, was für uns als sicher galt, funktioniert nicht mehr, löst sich auf und muss ganz neu gedacht werden. Wir können es als Bedrohung erleben und zunächst ist es an vielen Stellen sicher auch so. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, ob wir uns nicht zu sehr festgefressen haben. Sind wir vielleicht auch zu dick geworden und haben uns, auf Kosten anderer und unserer Umwelt, zu weit vom Ursprung, von dem was gesund ist, uns körperlich, seelisch und geistig nährt und stärkt, entfernt? Es gilt, inne zu halten und hineinzuspüren in das, was kommen will. Denn hier liegen unsere Aufgaben und unsere Chance! Wir haben die Möglichkeit, uns zu transformieren, uns aus der Rolle des Opfers aufzuschwingen und zum Mitgestalter der Zukunft zu werden.
Wir erleben hier auf der Domäne Fredeburg nach wie vor eine große Sinnhaftigkeit in unserem Tun und eine besondere Verantwortung für die uns anvertraute Natur, die Kinder, die den Hof besuchen und uns als Vorbild erleben, die Menschen, die unsere Lebensmittel kaufen und für die Region, die wir ein Stück mitgestalten können. Gleichzeitig stehen auch wir in dieser Zeit vor Herausforderungen mit vielen offenen Fragen – und dann kommen immer wieder Antworten und Lösungen auf uns zu.
Trotz vielfach nicht sehr günstiger Bedingungen wurden wir wieder wunderbar beschenkt und staunen über die reiche Getreideernte, die vollen Gemüselagerräume und die hohe Milchleistung unserer Kühe. Wir freuen uns über Verbesserungen in den Arbeitsbereichen, über unseren wunderschönen großen Gemeinschaftsraum, die junge und motivierte Gruppe unserer Auszubildenden, die konstruktive Zusammenarbeit und den Austausch mit unseren Mitarbeitenden. All das hat Zukunftspotential und erfüllt uns mit Dankbarkeit. Diesen Dank möchten wir weitergeben an alle Menschen, die uns begleiten, unterstützen, besuchen, tätig mitgestalten, unsere Produkte kaufen und essen, unser Leben bereichern und sinnerfüllt machen. Wir alle sind miteinander verbunden und aufeinander angewiesen und wünschen uns sehr, dass wir den Veränderungsweg auch weiterhin gemeinsam gehen.
Möge es immer eine gegenseitige Bereicherung sein!
„… und im Vorbeigehen, ganz absichtslos, zünde ich
die eine oder andere Laterne an in den Herzen am Wegesrand.“
(aus „Wie wenig nütze bin ich“ von Hilde Domin)
In diesem Sinne wünschen wir allen eine durchlichtete Weihnachtszeit und Wandlungsmut für das neue Jahr!
Mit herzlichen Grüßen
Agnes Gleißner, Florian Gleißner, Julia de Vries, Lothar de Vries, Anne-Maria von Schulz, Arne von Schulz, Susanne Trapp, Alfons Wiesler-Trapp
Hier finden Sie das PDF unseres gedruckten Weihnachtsbriefs